Chronik

60 Jahre Sportverein Wöhrden

11 Paar Fußballschuhe für 22 Spieler

Teil I: Mit Wassereis und Heißgetränk

Wöhrden (wr) Vor 60 Jahren ist der SV Wöhrden gegründet worden. Gründungsmitglied Ernst Peters, der nach kurzer Zeit zum Pressewart berufen wurde, hielt die Spiele und Vereinsentwicklung der ersten Jahre handschriftlich in einem Protokollbuch fest. Er ist Autor der heutigen Vereins-Chronik und fasste für unsere Zeitung die Ereignisse zusammen. Außerdem berichten Ernst Peters und Gründungsmitglied Hermann Claussen (der heute nicht mehr dem Verein angehört) im Gespräch mit unserer Zeitung über die damalige Zeit.

Mai 1945. Dithmarschen ein riesiges Auffanglager für Soldaten der Wehrmacht, die hier auf ihre Entlassung warteten. Im kleinen Kirchdorf Wöhrden eine hohe Einwohnerzahl – drei bis viermal mehr als in Friedenszeiten.Die Jugend des Dorfes traf sich fast jeden Abend zum Bolzen (Fußballspielen) auf der so genannten Kirchenweide (heute Baugebiet Op de Pastorweid). „Fernseher und Kino gab es ja nicht“, erzählt Ernst Peters. Dieser Platz diente dem Schulsport, Feuerwehrübungen und anderen dörflichen Veranstaltungen. Vom Gebolze ermüdet genossen die jungen Leute dann in der „Börse“, der „Linde“ oder im „Handelshof ein Wassereis oder in der kalten Jahreszeit ein Heißgetränk (mehr Wasser als Rotwein). Bald kamen sie auf die Idee, einen Sportverein zu gründen, wie es auch in anderen Dörfern üblich war. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Wöhrden schon einen Turnverein.

Am 5. Juni 1946 fand im „Dithmarscher Hof (heute „Gasthof Oldenwöhrden“) die Gründungsversammlung des SV Wöhrden statt. Geleitet wurde die Versammlung von Hauptlehrer Wilhelm Schettiger. Gründungsmitglieder: Gustav Behrens, Helmut Behrens, Hermann Claußen, Karl-Hermann Groth, Leo Hennes, Josef Jakob, Dieter Koppen, Oskar Kucht, Klaus Landau, Hermann Möller, Edgar Oelerking, Paul Priebe, Klaus Popp, Johannes Rudolph, Klaus Rehder, Walter Schümann, Otto Thedens, Johann Thedens, Ernst Peters. Der Vorstand setzte sich wie folgt zusammen: erster Vorsitzender Walter Schümann, zweiter Vorsitzender Johann Thedens, Schriftführer Hermann Möller, Sportwart Behrens, Jugendwart Klaus Popp.

Am 16. Juni 1946 fand das erste Fußballspiel beim NSC Neuenkirchen statt, der SV Wöhrden gewann 2:1. Von einer einheitlichen Sportkleidung konnte natürlich zunächst keine Rede sein (Trikots). So trugen die Spieler kurze oder lange Hosen in verschiedenen Farben und Ausführungen. Ein weißes Hemd hatte fast jeder. „Der Schiedsrichter musste die Spieler also persönlich gut kennen“, erinnert sich Ernst Peters. Fußballschuhe hatte zunächst auch keiner, woher auch? Es wurde in Arbeitsstiefeln oder Turnschuhen gekickt. „Später hatten wir dann 11 Paar Fußballschuhe für 22 Spieler“, erzählt Hermann Claussen. „Die wurden immer gewechselt und wir hatten ständig Blasen, weil die Schuhe ja nicht richtig passten.“ „Ich bekam meine Fußballschuhe aus Hamburg“, erinnert sich Peters. „Dort auf dem Schwarzmarkt konnte man alles kriegen. Wir mussten einen Zentner Mehl dafür geben.“

Schon im Juli gab es Veränderungen im Vorstand. Johann Thedens machte sich mit einem Kaufmannsladen selbstständig. Walter Blödow wurde sein Nachfolger. Dieter Koppen wurde Jugendwart. Paul Priebe übernahm den Posten des Sportwarts. Es folgten Spiele gegen Wesselburen, Hemmingstedt. Nordhastedt und Hemme. Ende August hatte der SV Wöhrden bereits eine zweite Fußballherren und eine Schüiermannschaft

Im Herbst gab es erstmals eine Punktspielrunde. Dazu traten die Wöhrdener erstmals in einheitlicher Sportkleidung (Kluft) auf in weißer Turnhose und weißem Hemd. „Aus einer Hitlerfahne wurden rote Aufschläge für Kragen und Ärmel genäht und Biesen an den Hosen“, berichtet Hermann Claussen. „Die Fußballstutzen strickten unsere Mütter aus Schafswolle. Diese Wolle wurde von den Stacheldrahtumzäunungen der Wiesen gezupft, dann gesponnen und zum Teil rot eingefärbt. So bekamen wir Stutzen mit roten Ringen.“
(Quelle DLZ v. 23.06.2006)

Auf Schleichwegen zum Spiel

Teil II: Flickwerk, Pflaumen und Stinkgreuw

Wöhrden (wr) Vor 60 Jahren ist der SV Wöhrden gegründet worden. Gründungsmitglied Ernst Peters hielt die Spiele und Vereinsentwicklung der ersten Jahre handschriftlich in einem Protokollbuch fest. Er ist Autor der heutigen Vereins-Chronik und fasste für unsere Zeitung die Ereignisse zusammen. Außerdem berichten Ernst Peters und Gründungsmitglied Hermann Claussen (der heute nicht mehr dem Verein angehört) im Gespräch mit unserer Zeitung über die damalige Zeit-Teil II.

Die erste Jahresversammlung fand im Februar 1947 im Vereinslokal Zur Börse statt (das Lokal befand sich dort, wo heute die Sparkasse Hennstedt-Wesselburen ihren Sitz hat). Johannes Rudolph wurde zum zweiten Vorsitzenden gewählt, Ernst Peters übernahm die Jugendabteilung. Er war auch Schriftführer und Pressewart.

Im Frühjahr 1947 starteten die Spiele der Rückrunde, hier schnitten die Wöhrdener etwas besser ab.

Große Probleme gab es mit den Fahrgelegenheiten zu den Auswärtsspielen. Fahrräder und auch das Pferdefuhrwerk von August Sattler, der mit einem Treck aus Ostpreußen gekommen war, reichten für größere Entfernungen nicht mehr aus. So fuhren die Jungs auf einem offenen landwirtschaftlichen Anhänger. Als Zugfahrzeug diente der Trecker von Lohnunternehmer Arnold Peters. Vater i von Ernst Peters.

Für größere Strecken bot Fuhrunternehmer Werner von Bargen seine Hilfe an. Er hatte auf Bezugschein und Genehmigung der britischen Militärbehörde einen Lastwagen aus der ersten Produktion der Ford-Werke erhalten. „Aber für Sonntagsfahrten hätte er eine Sondergenehmigung gebraucht“, erinnert sich Hermann Claussen. „Also sind wir ohne diese Erlaubnis mit ihm auf Feldwegen zu den Spielen gefahren.“

Ernst Peters erinnert sich noch gut „an eine Fahrt nach Brunsbüttel. Fuhrunternehmer Hans Brodka stellte seine Drei-Achser-Faun-Zugmaschine aus Wehrmachtsbeständen bereit Wir durften auf der Ladeflächesitzen, und Fahrer Hans Weihs fuhr uns auf Schleichwegen zum Auswärtsspiel. Es war eine nicht genehmigte Schwarzfahrt. Doch an diesem Tag war die erste Bundestagswahl. Von uns nahm niemand Notiz.“

Ballwart Paul Schwiencke war nicht zu beneiden. „Neue Bälle gab es noch nicht, die alten mussten immer wieder zusammengeflickt werden. Eine Naht hielt die andere“, erzählte,_ Ernst Peters. Außerdem wurden die Bälle (mit innen liegender Blase) mit Lederriemen geschnürt. Mehr oval als rund wurden die Bälle deshalb „Pflaumen“ genannt „Zwei und mehr dieser Flugobjekte gaben in einem Spiel den Geist auf.“

Der von der Kirchengemeinde gepachtete Sportplatz „Op de Pastorweid“ (heute Neubaugebiet) war zirka 60 Meter lang und 40 bis 45 Meter breit – alsoviel zu klein und unsymmetrisch (heute üblich: 105 mal 68 Meter). „Auswärtige Mannschaften kamen nicht gut damit klar. So manches Spiel konnten wir hier zu unseren Gunsten entscheiden.“
An der Westseite begrenzte ein Strommast das Spielfeld. Ein Entwässerungsgraben an der Ostlängsseite, der die Abwässer von den Häusern der Heider Straße aufnahm, war hier als Spielfeldbegrenzung gedacht. Im Eifer des Gefechts rutschte so mancher Spieler in diesen Graben, „Stinkgreuw“ genannt. „Und wenn sich bei gutem Wetter die Bienenschwärme von Nachbar Winkelmann auf uns stürzten, schlugen wir wie wild um uns und verließen schon mal fluchtartig das Spielfeld“. erzählt Peters.

Dabei war der Platz lange nicht so eben und gleichmäßig bewachsen wie heute, berichtet Hermann Claussen. „Gemäht haben wir den natürlich selbst Zuerst noch mit der Sense. Wir waren ja zäh.“
(Quelle: DLZ v. 29.06.2006)

Mit Spaten und Pferdegespann am Werk

Teil III: Sportplatz Wöhrden in mühsamer Handarbeit vergrößert

Wöhrden (rd) Zum Jubiläum 60 Jahre SV Wöhrden wollen wir nun den Rückblick auf die Anfänge fortsetzen. Gründungsmitglied Ernst Peters hielt die Vereinsentwicklung der ersten Jahre handschriftlich in einem Protokollbuch fest. Er ist Autor der heutigen Vereins-Chronik und fasste für unsere Zeitung die Ereignisse zusammen.

Der erste Fußballplatz Op de Pastorenweid (Heute Neubaugebiet) war viel zu klein und unsymmetrisch. Außerdem trübte der Stinkgreuw und Nachbars Bienen manches Mal das Fußballvergnügen.In langen, zähen Verhandlungen mit dem Kirchenvorstand unter Pastor Bethke konnten die Fußballer in der Länge 40 Meter und in der Breite 20 Meter dazu pachten. Ein Quergraben und einige Längsfurchen (Piepen) mussten mit Erde aufgefüllt werden. Die erforderlichen Erdmassen stellte der Mühlenbesitzer Helmut Martensen zur Verfügung. Mit Spaten und Schaufel bewaffnet wurde der Mühlenberg in Wackenhusen abgetragen und mit Pferdegespannen zum Sportplatz transportiert Der Handbagger war gefragt.

Die Wöhrdener Drainagekolonne mit Jakob Christiansen und Arthur Wiebers legte eine neue Drainage. Die Kiesmenge wurde aus der Kuhle der Firma Lensch aus der Waldschlößchenstraße in Heide beschafft Bauer Peter Ibs aus dem Christianskoog übernahm mit seinem Glühkopfbulldog den Kiestransport „Wie viele Reifenpannen wir am Traktor und den Anhängern bei der damaligen schlechten Bereifung behoben haben, vermag ich nichtmehr zu sagen.“, erinnert sich Peters.

Für die Tore wurden von der „Hölle“ (Raffinerie) aussortierte Bohrgestängerohre besorgt und zusammengeschweißt Da die Rohre noch mit (»kreide gefüllt waren, brannte und stank das fürchterlich. Mit heutigen Umweltauflagen wäre dies nur mit Absauganlage, Augen- und Gehörschutz möglich gewesen.

Ende Mai 1947 war der Platz in Gemeinschaftseigenleistung fertig gestellt Bei strahlendem Sonnenschein gab es eine tolle Einweihungsfeier unter Mitwirkung der neu gegründeten Wöhrdener Feuerwehrkapelle.
(Quelle: DLZ v. 11.08.2006)

Schuhe und Bälle auf dem Schwarzmarkt

Teil IV: Fuhrunternehmer Lohmeier aus Büsum hilft den Fußballjungs

Wöhrden (rd) Zum Jubiläum 60 Jahre SV Wöhrden setzen wir den Rückblick auf die Anfänge fort. Gründungsmitglied Ernst Peters hielt die Vereinsentwicklung der ersten Jahre handschriftlich in einem Protokollbuch fest. Er ist Autor der heutigen Vereins-Chronik und fasste für unsere Zeitung die Ereignisse zusammen.

1947. Der Fußballplatz Op de Pastorenweid (Heute Neubaugebiet) ist in mühsamer Handarbeit erweitert Aber noch immer spielten die jungen Leute in Arbeitsstiefeln oder Turnschuhen, noch immer mussten sie sich mit geflickten Bällen herumärgern. Das sollte sich plötzlich ändern. DerFuhrunternehmer Lohmeier aus Büsum fuhr mit seinem Lkw des öfteren nach Hamburg und hatte dort gute Beziehungen zum Schwarzmarkt Naturalien in jeder Form öffneten alle Türen.

»Wir erhielten amerikanische Fußballschuhe mit gepolstertem Knöchelschutz. Herrje! Dass es so was überhaupt gab“, erinnert sich Ernst Peters. Preis: 1800 Reichsmark. Aber das war nur der Tauschkurs. Als Gegenleistung mussten 50 Kilogramm Weizenmehl geliefert werden (das Kilo wurde mit 36 Reichsmark angerechnet). Die ersten neuen Fußbälle gab es im Tausch gegen Fleisch und Wurst Sie wurden aber nur zu Punktspielen benutzt Der Punktspielbetrieb im Herbst 1947 wurde mit zwei Seniorenmannschaften bestritten. Weiter hatte der SV Wöhrden eine Knaben-, eine Schüler- und eine Jugendfußballmannschaft Es gab eine Handballmannschaft unter Obmann Gustav Pick. Auch die Damen spielten Handball unter Spartenleiterin Ilse Jacobsen (später verehelichte Krüger).

Allerdings war ein geregelter Trainings- und Spielbetrieb nur unter großen Schwierigkeiten möglich, hatte doch die Kirchenvertretung als Besitzer des Sportplatzes die. Spiele während der Kirchzeit verboten.
(Quelle: DLZ v. 11.08.2006

Ablösepreis: Ein Zentner Kartoffeln

Teil V: Mannschaft wird verstärkt – Siegeszug nicht zu stoppen

Wöhrden (rd) Zum Jubiläum 60 Jahre SV Wöhrden setzen wir den Rückblick auf die Anfänge fort. Gründungsmitglied Ernst Peters hielt die Vereinsentwicklung der ersten Jahre handschriftlich in einem Protokollbuch fest. Er ist Autor der heutigen Vereins-Chronik und fasste für unsere Zeitung die Ereignisse zusammen.

Es ist das Jahr 1947. Bei anstehenden Vorstandswahlen wurde Hennann Claußen Fußballobmann. Für eine gute Kassenlage sorgten Johann Henschen und Oskar Kucht. Mit Paul Priebe wurde ein neuer Vorsitzender gewählt, der immer, ob früh oder spät, für den Verein zur Stelle war. Er tätigte Spielabschlüsse, organisierte Fahrgelegenheiten, er bat und beschwor die Spieler, lobte und fluchte, verhandelte mit dem Kreissportverband und legte sich auch mit den Schiedsrichtern an. In seiner Friseurstube ließ er Kunden eingeseift und halb rasiert sitzen, weil er schnell mal eben über die Straße ins Clublokal ans Telefon gerufen wurde. Paule machte eben alles. Zusammen mit dem Ältestenrat (Hauptlehrer Schettiger, Mau;rermeister Walter Schümann, Bäckermeister Willi Sothmann, Müllermeister Helmut Martensen und Bauer Gustav Mohr) gelang es ihm, zwei Spielervom Heider SV loszueisen. Mit Mittelläufer (Sopper) Günther Möller verstärkten wir die Abwehr, und »Assi“ Kruse wirbelte auf Linksaußen. Günther Möller erzählte später „Paul Priebe brachte eine große Schachtel Pralinen für meine Frau mit.“ Die Ablöse für Assi Kruse soll angeblich ein Zentner Kartoffeln gewesen sein. Die Mannschaft wurde weiter verstärkt durch J. W. (öne) Rambke, der von Tura Meldorf kam, und durch den Wöhrdener Detlef Schutt, der bis dahin beim Landesligisten SV Hemmingstedt gespielt hatte. Mit den beiden Verteidigern (Innenverteidigung würde man heute sagen) Klaus Rehder und Klaus Landau und mit Kurt Möller beziehungsweise „Akrobat“ Hans Karalus im Tor hatte die junge SV Wöhrden eine schlagkräftige Elf.
(Quelle: DLZ v. 15.08.2006)